Sean, was sind die interessantesten Entwicklungen auf dem Markt für Staatsanleihen in den letzten Jahren?
Sean Kidney: Die interessanteste Entwicklung ist, dass es überhaupt einen Markt für Staatsanleihen gibt, denn vor ein paar Jahren war dies noch nicht der Fall! Erst als die französische Regierung beschloss, Staatsanleihen auszugeben, tat sich etwas. Damit begann eine Art Wettrüsten im Markt für Staatsanleihen. Die polnische Regierung entschied sich als erste dafür, grüne Staatsanleihen zu emittieren, als die Franzosen noch dabei waren, sich diesbezüglich organisieren. Die Agence France Trésor, ein Ausschuss, der für die Verwaltung von Frankreichs Finanzhaushalt zuständig ist, hat sich dem Markt behutsam und gut durchdacht genähert. Heute hat Frankreich mit einem Emissionsvolumen von rund 40 Milliarden Euro den bei weitem größten Anteil am globalen Markt für grüne Staatsanleihen. Weitere Staaten sind Frankreichs Beispiel gefolgt und dem Markt seitdem beigetreten.
Auch der breiter gefasste Markt für grüne Anleihen wächst stark und wird allein in diesem Jahr um rund 80% zulegen und dabei mehr als zwei Billionen Euro Outstanding verzeichnen. Das klingt auf den ersten Blick nach einer gewaltigen Summe – wenn man jedoch bedenkt, dass der gesamte Anleihemarkt über 100 Billionen Euro schwer ist, dann wird schnell klar, dass grüne Anleihen noch Aufholpotenzial haben. Insbesondere auf der Staatsanleihenseite ist noch Luft nach oben: Von den 100 Billionen Euro entfallen rund 55 Billionen Euro auf Staatsanleihen, davon wiederum nur 120 Milliarden Euro auf grüne Staatsanleihen. Wachstum in diesem Bereich ist praktisch vorprogrammiert, nachdem sich dort in den letzten Jahren zu wenig getan hat. Heute werden auf der ganzen Welt grüne Staatsanleihen ausgegeben.
Am interessantesten und aufregendsten ist die Tatsache, dass dieser Markt überhaupt existiert und so schnell wächst. Er bietet Investoren Möglichkeiten, die es vorher nicht gab. Regierungen erwecken mit der Auflage grüner Staatsanleihen die Aufmerksamkeit und das Interesse umweltbewusster Investoren und das spornt zu weiteren grünen Emissionen an – und das ist genau das, was wir erreichen wollen.
Was können Sie uns über die Rolle einzelner Regierungen bei der Ausgabe grüner Staatsanleihen sagen?
SK: Die französische Regierung habe ich bereits angesprochen. Dort hat man die Erfahrung gemacht, dass sich mit der Ausgabe grüner Anleihen durchaus Geld für den Staat verdienen lässt.
Jedes Finanzministerium auf der Welt hat dieses Ziel vor Augen. Zum einen wird durch die Ausgabe grüner Staatsanleihen auch der Markt für Unternehmensanleihen angespornt, mehr grüne Anleihen zu emittieren. Zum anderen zeigt eine Regierung dadurch, dass sie sich umweltpolitisch engagiert. Als die niederländische Regierung ihre grüne Anleihe auflegte, bei der der Großteil der Erlöse in den Schutz der Küsten floss - dachte man "Ah, das macht Sinn". Toll, dass sie das gemacht und damit die Aufmerksamkeit auf ihre Arbeit gelenkt haben.
In ähnlicher Weise ging es bei der Emission der beiden grünen Anleihen der Fidschis darum, die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen der Anpassung an den Klimawandel in einem kleinen Inselstaat zu lenken. Es hat funktioniert, denn die Medien berichteten weltweit über die Anleihen und die Regierung der Fidschis konnte in hohem Maße davon profitieren.
François, welche Faktoren erklären Ihrer Meinung nach den enormen Anstieg der Emissionen von und der Investitionen in grüne Anleihen? Ist die Klimaneutralität, Net Zero, tatsächlich das Ziel der Emittenten?
François Millet: Alles beginnt mit der zunehmenden Bedeutung grüner Anleihen in einem Anlageportfolio. Staatsanleihen machen rund 54% eines typischen globalen Anleiheindex aus. Bis zum Jahr 2016 gab es keine grünen Staatsanleihen. Eine Lücke, die nun gefüllt wird. Es ist ein rasantes Wachstum dieses Marktes zu beobachten, insbesondere in den vergangenen zwei Jahren. Wir reden nicht mehr nur von Frankreich allein, sondern von einem Markt, auf dem in diesem Jahr 30% aller ausstehenden grünen Staatsanleihen emittiert wurden.
Das ist eine erstaunliche Bilanz. Vor sechs Monaten hätten wir unseren neuen Lyxor Euro Government Green Bond ETF gar nicht auflegen können, weil er die in der OGAW ETF-Regulierung geforderte Diversifikationsquote nicht erfüllt hätte.
Jeder Investor sollte eine Strategie bezüglich grüner Anleihen haben – die Elemente zur Umsetzung sind heute dafür vorhanden. Bislang fehlte lediglich die Voraussetzung der ausreichenden Liquidität und der Diversifikation im Staatsanleihensegment, aber das ist nicht mehr der Fall. Der Markt hat sich in etwa einem Jahr fast verdoppelt.
Aus Investorensicht: Was hat sich an der Einstellung der Investoren geändert?
FM: Ich denke, die veränderte Einstellung ist zwei Dingen geschuldet: Erstens ändern sich die Portfolioziele. Zusätzlich zu den Renditezielen und ESG-Kriterien versuchen Investoren zunehmend, ihre Portfolios aufeinander abzustimmen, indem sie sich zum Beispiel auf ein bestimmtes Erderwärmungsszenario ohne ein Szenario mit limitierter Überschreitung festlegen. Immer mehr Investoren verpflichten sich der Klimaneutralität Net Zero und machen öffentlich, dass sie ihre Portfolios umstrukturieren, um dieses Ziel zu erreichen.
Ein zweiter Punkt ist darin zu sehen, dass die Forderung nach Veröffentlichung der Verwendung der Anleiheerlöse immer lauter wird. Grüne Anleihen, die Informationen über die Verwendung der Erlöse liefern und zudem über die Auswirkungen berichten, sind enorm wichtig, da Investoren nicht nur wissen wollen, wie sich der Klimawandel auf das Portfolio auswirkt, sondern auch wie das Portfolio den Klimawandel beeinflusst. Der Impact, die Auswirkung einer Investition, gewinnt an Bedeutung und wird auch von der Gesetzgebung verlangt.
In der nächsten Stufe der neuen SFDR*-Verordnung wird von Vermögensverwaltern erwartet, dass wir den "grünen Anteil" unserer Portfolios veröffentlichen und beispielsweise den prozentualen Anteil von Strom aus erneuerbaren Quellen in unserem Portfolio angeben. Regularien zwingen Anleger dazu, dass Investitionen nachvollziehbar gemacht werden und sich die Auswirkungen erfassen lassen. Dies ist dem Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung geschuldet.
Philippe, wie hat Lyxor auf diese Entwicklungen produktseitig reagiert? Was bietet Lyxor seinen Kunden?
Philippe Baché: Unser aktuelles Angebot umfasst drei verschiedene Herangehensweisen, um eine Position in grüne Anleihen zu vertreten. Zunächst gibt es den Klassiker, den Lyxor Green Bond UCITS ETF CLIM, als weltweit ersten ETF auf grüne Anleihen, der 2017 aufgelegt wurde und mittlerweile ein Vermögen von mehr als 570 Millionen Euro verwaltet. Dieser ETF kombiniert Positionen in grünen Staatsanleihen, grünen Staatsanleihe-ähnlichen Anleihen und grünen Unternehmensanleihen. Der zweite Weg: Ein aus grünen Anleihen zusammengesetzter ETF mit zusätzlichem ESG Screening (Lyxor Green Bond ESG Sreened XCO2, der einige umstrittene Aktivitäten ausschließt.
Als drittes Produkt haben wir Anfang Juli den Lyxor Euro Government Green Bond UCITS ETF ERTH auf den Markt gebracht. Dieser ist speziell auf staatliche Emittenten in der Eurozone ausgerichtet, die die von Anlegern anvisierten CO2-Ziele berücksichtigen und zudem weitere Anforderungen an ein grünes Investmentportfolio erfüllen.
Der Lyxor Euro Government Green Bond UCITS ETF kann als Anlageinstrument für eine Klimaneutralitätsstrategie (bzw. Net Zero Strategie) verwendet werden, das die Erwartungen eines Anleihenportfolios mit Staatsanleihenpositionen erfüllt. Aufgrund des langfristigen Charakters des Marktes für grüne Anleihen wird die Verzinsung hier größer sein als die Verzinsung eines herkömmlichen Staatsanleihenportfolios. Und der vielleicht interessanteste Aspekt, den François zuvor bereits erwähnte: Der ETF informiert haargenau über die Erlösverwendung, der Use of Proceeds, und lässt sich dem Markt für Staatsanleihen zuordnen.
Sehen Sie sich hier die gesamte Wiederholung des Webinars an. Unter anderem erwartet Sie Folgendes:
- Analyse der neusten Green Bond Emissionen in Europa, inklusive der Länderaufteilung
- Nachfrage von Investoren nach Neuemissionen am Primärmarkt
- Die Frage nach dem “Greenium”
- Portfoliomerkmale des neuen Lyxor Euro Government Green Bond UCITS ETF
Fazit
Eines Tages wird der Wert eines Unternehmens womöglich stärker von der Größe des CO2-Fußabdrucks sowie von seinem Einfluss auf die globale Erwärmung abhängen. Auch die Bereitschaft eines Unternehmens, sich mit umfassenden gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, wird eine bedeutende Rolle spielen. In der Konsequenz werden unsere Investitionsentscheidungen von diesen Faktoren beeinflusst.
Unser SFDR 9-konformer Lyxor Green Bond (DR) UCITS ETF, Lyxor Green Bond ESG Screened (DR) UCITS ETF, and Lyxor Euro Government Green Bond (DR) UCITS ETF bieten Anlegern eine einfache Möglichkeit, um direkte Klimaschutzmaßnahmen in ihr Anleihenportfolio zu integrieren. In unserem 2020 impact report erfahren Sie mehr über die Ergebnisse grüner Anleihen.
Erfahren Sie mehr über die Lyxor Green Bond ETFs
*SFDR: Sustainable Finance Disclosure Regulation.
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und sollte nicht als Anlageberatung und/oder als Angebot zum Kauf von Finanzprodukten verstanden werden. Lyxor International Asset Management, Inhaber der Marke Lyxor ETF, unterstützt oder fördert in keiner Weise die in diesem Artikel erwähnten Unternehmen oder Wertpapiere